Comeback nach Schicksalsschlag

Comeback nach Schicksalsschlag

In einem emotionalen Interview gibt Thomas Oelsner Einblicke über die Rückkehr in den Spitzensport und den Weg zu Olympia.

 

Man kann alles erreichen, wenn es im Kopf stimmt.

Thomas Oelsner

Thomas Oelsner ist einer der erfolgreichsten deutschen Biathleten und Skilangläufer bei Winter-Paralympics. Er war Nachwuchshoffnung des deutschen Skilanglaufsports. 1991 dann sein Schicksalsschlag. Seit einem schweren Motorradunfall ist sein linker Arm gelähmt. Aus und vorbei der Traum von olympischen Medaillen?

Nach etwa einem Jahr nahm er das Skilanglauftraining wieder auf. 1993 wurde er durch eine Begegnung mit dem damaligen Behinderten Begleitläufer an den Bundestrainer der Behinderten-Nationalmannschaft vermittelt, der ihn kurzfristig für die anstehende Europameisterschaft nachnominierte. Dort gewann Thomas Oelsner dann zwei Goldmedaillen. Bei den olympischen Winterspielen 1994 in Lillehammer ging er erstmals bei paralympischen Spielen an den Start und gewann drei Gold- und zwei Silbermedaillen. Bei Olympia 1998 in Nagano folgten zweimal Gold und zweimal Silber. Darüber hinaus gewann er mehrere Weltmeistertitel.

 

Was war dein allererster Gedanken nach dem Unfall?

Thomas: Durch meinen, scheinbar angeborenen, Positivismus, dachte ich „das wird schon wieder“. Ich hatte große Hoffnungen und war eigentlich ganz gut drauf (bis auf ein paar Schmerzen).

Was fühltest Du in der Situation, in der Du mit der Erkenntnis konfrontiert warst: der Arm wird sich nie wieder bewegen lassen?

Thomas: Die Welt brach zusammen. Ich wollte niemanden sehen, hören, sprechen. Das Leben ist vorbei und ich werde niemals wieder meinen geliebten Sport, oder überhaupt nur Sport ausüben können. Und immer wieder auch der Klassiker – warum ich? Das kann doch alles nicht wahr sein!

Welche verschiedenen emotionalen Phasen hast Du durchlebt und wie lange dauerten sie wirklich und gefühlt?

Thomas: Fangen wir hinten an. Die Phasen dauern immerwährend an. Sie kommen und gehen. Mal stärker, mal schwächer. Da gibt es tiefe Betrübung (niemals Depression) über das „Nicht-Ausüben-Können“ bestimmter Tätigkeiten im Alltag. Dem stehen Euphorie und Hochgefühl über die Bewältigung der alltäglichen Herausforderungen gegenüber und das Ganze geschah mit erhöhter Intension auch im sportlichen Bereich.

Wann entstand die Vision von der Rückkehr in den Spitzensport?

Die Vision entstand durch das Bewusstsein „es geht, man kann alles erreichen, wenn es im Kopf stimmt“. Dieses Bewusstsein kam nur durch den Einfluss meines Freundeskreises. Ich wurde förmlich gedrängt, es zu versuchen und alles wieder zu erlernen bzw. auszuprobieren.

Wer oder welches Team hat Dich am meisten unterstützt?

Thomas: In erster Linie meine Freunde, von denen einer sogar seinen Beruf aufgegeben hat, um mich im Team der Nationalmannschaft zu unterstützen und grundsätzlich das deutsche Nationalteam mit allen Sportlern, Trainern, Physiotherapeuten, Ärzten und Betreuern.

Die Rückkehr in den Spitzensport: Emotionaler Höhepunkt oder „nur“ Durchgangsstation auf dem Weg zum Olymp?

Thomas: Ganz klar war die Rückkehr in den Spitzensport und die Nominierung für meine ersten Paralympics (1994 in Lillehammer) DER emotionale Höhepunkt. Das dadurch gewonnene Selbstvertrauen sorgte dann für alle weiteren emotionalen Höhepunkte im „Olymp“.

Welche entscheidenden Schwierigkeiten hattest Du im Trainingsalltag zu meistern und wie wirkten die sich auf Deinen emotionalen Zustand aus?

Thomas: Der Schutz des leblosen Armes vor Kälte, Hitze und anderen Verletzungen. Das ist immer noch ganz schlimm, kotzt mich an und ich denke so ca. im Halbjahresrythmus über eine Amputation nach. Das ist nicht sehr hilfreich, allerdings fühlte und fühle ich mich nach sportlichen Aktivitäten immer, wie wenn ich den Arm (im speziellen den Phantomschmerz) besiegt hätte. Hurra!

Zweite Schwierigkeit wäre die Vorbereitung, Präparation von Material. Sowohl alles Physische (Ski, Fahrrad, Skiroller…), als auch alles Psychische (kann ich das schaffen, warum mache ich das mit einem Arm, bin ich fit genug…). Dies prägte entscheidend meine mentale Stärke, sprich „dickes Fell“. Ich habe gelernt, aus jeder Situation das Beste zu machen, bzw. herauszuholen.

 War Olympia die Vision, die für Dein weiteres Leben entscheidend war?

Thomas: Ja, absolut. Ohne den Sport und dem Ziel Olympia wäre alles, wirklich alles anders gelaufen.

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